Ein Shutdown, wie wir ihn zur Eindämmung der Coronapandemie aktuell auch im Handel erleben, bedeutet für jeden Unternehmer „worst case“. Neben den zahlreichen vertrieblichen Aktivitäten im Genehmigungsbereich der behördlichen Erlasse ist es für die Unternehmen dabei von existenzieller Bedeutung, sämtliche liquiditätsstützenden Maßnahmen zu ergreifen, die sich bieten. Denn: Die Reserven, insbesondere im kleineren Mittelstand, sind meistens gering bis nicht vorhanden.
Welche liquiditätsstützenden Maßnahmen sollten seit dem Shutdown ergriffen worden sein oder ergriffen werden?
Lieferanten
- Zahlungszielverlängerung
- Aufhebung Lastschrifteinzüge
- Parken von Vormerkungen/Vorbestellungen
- Bestellstorno
Finanzbehörden
- „Härtefall“-Stundungsanfragen für fällig werdende Steuern und Antrag auf die Anpassung der Vorauszahlungen zu Einkommen- und Körperschaftsteuer
- Antrag auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für die Vorauszahlungen
- Rückzahlungsanfrage der Sondervorauszahlungen (SVZ) 2020 bei der Umsatzsteuer
- Senkung der Steuervorauszahlungen bei Nachweis vs. niedrigerer Einkünfte (Hochrechnung Ertragsausfall)
- Verzichtsanfrage auf Vollstreckungsmaßnahmen oder Säumniszuschläge bis 31.12.2020
Grundlage ist das BMF-Schreiben vom 19. März 2020. Darin steht auch folgender Satz: „Diese Anträge sind nicht deshalb abzulehnen, weil die Steuerpflichtigen die entstandenen Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können. Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen für Stundungen sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann in der Regel verzichtet werden.“
Bitte beachten: Antragsberechtigt sind nur solche Unternehmen, die „unmittelbar“ durch den Coronavirus betroffen sind. Ist das Unternehmen nur „mittelbar“ betroffen (z.B. infolge von Liquiditätsengpässen von Kunden oder durch Lieferschwierigkeiten vom Coronavirus beeinträchtigter Lieferanten), gelten strenge Nachweispflichten, um die steuerlichen Erleichterungen zu erfahren.
Vermieter
- Anfrage auf Erlass/Nachlass der Nebenkostennachzahlungen für 2019
- Anfrage auf Mietstundung für einen bestimmten Zeitraum
- Anfrage auf Nebenkostensenkung für einen bestimmten Zeitraum
- Anfrage auf Auszahlung der Mietkaution
Bitte beachten: Auf der Grundlage des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vom 01.04.2020 gilt, dass Mieter und Pächter für den Zeitraum vom 01.04.- 30.06.2020 wegen nicht geleisteter Miet-/Pachtzahlungen infolge der COVID-19-Pandemie nicht gekündigt werden darf. Davon unberührt bleibt jedoch die Mietzahlungspflicht, d.h. die Mieten bleiben fällig und es können Verzugszinsen anfallen. Mietschulden aus dem o.g. Zeitraum sind bis zum 30.06.2022 zu begleichen.
Personal
- Beantragung von Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit
Sonstige Liquiditätsquellen
- Soforthilfeprogramme des Landes, Bundeslandes oder der Städte (Anm.: Es handelt sich i.d.R. um Zuschüsse, die im Gegensatz zu Krediten nicht zurückzuzahlen sind.)
Bitte beachten: Bei den Soforthilfen handelt es sich um Zuschüsse. Die Antragsvoraussetzungen sind zu erfüllen. Wer die Anträge nachweislich wissentlich falsch ausfüllt, begeht Subventionsbetrug. Hilfreich ist, die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Kriterien zu dokumentieren, z.B. durch Ausdruck mit Uhrzeitangabe.
„Es zeigt sich aktuell par exellence, was es mit dem Faktor Zeit als kapitalem Faktor auf sich hat. Für den mittelständischen Handel ist es von existenzieller Bedeutung, dass Schirme nicht nur betitelt werden, sondern auch schnell und unkompliziert aufgehen, um das Unternehmen zu erhalten und Arbeitsplätze soweit als möglich zu sichern.“
Britta Meyer
Kredite
Für eine – soweit als möglich – detailliertere Ermittlung der Zeitpunkte und Umfänge der Liquiditätsengpässe bedarf es einer Kapitalbedarfsplanung. Diese wird günstigerweise für den Rest des Jahres 2020 und das Gesamtjahr 2021 erstellt, um sich mit den potenziellen Wirkgrößen der Coronakrise ins nächste Jahr auseinanderzusetzen. Nicht zuletzt für die Beantragung von Bankkrediten ist eine solche Planung unabdingbar, so schwer auch immer die aktuelle Prognosefähigkeit mit Blick auf Dauer und daraus folgende Liquiditätswirkungen des Shutdown sein mögen.
Tipp: Da so einige „Liquiditätspuffer“ durch Stundungen erreicht werden, achten Sie darauf, dass Sie sich bei Fremdfinanzierung von Liquiditätslücken langfristig (mindestens fünf Jahre) aufstellen.
Hier eine Auswahl zweier möglicher „Corona-Kredite“:
KFW-Unternehmerkredit („KFW-Corona-Hilfe“)
- Antragsberechtigte: Unternehmen, länger als 5 Jahre am Markt (Anm.: < 5 Jahre am Markt siehe ERP-Gründerkredit – Universell)
- Kreditbetrag: Kredithöchstbetrag ist begrenzt auf 25 % des Jahresumsatzes 2019 oder das doppelte der Lohnkosten von 2019 oder den aktuellen Finanzierungsbedarf für die nächsten 18 Monate bei kleinen und mittleren Unternehmen bzw. 12 Monate bei großen Unternehmen oder 50 % der Gesamtverschuldung Ihres Unternehmens bei Krediten über 25 Mio. Euro.
- Kreditzweck: Anschaffungen und laufende Kosten
- Antragsvoraussetzungen: Unternehmen war zum 31.12.2019 kein Unternehmen in Schwierigkeiten gem. Definition der Europäischen Union (Hinweis: UiS-Definition – siehe Artikel 2 Nummer 18 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014)
- Zinssatz: 1,00 bis 2,12 % p.a. (bonitäts- und sicherheitenabhängig)
- Laufzeit: bis zu 5 Jahre
- Tilgung: 1. Jahr tilgungsfrei
- Haftungsfreistellung: 90% durch die KfW bei kleinen und mittleren Unternehmen, 80% für große Unternehmen
- Kreditbewilligung: mit Kreditrisikoprüfung durch die Bank oder die KfW
Merkblatt: KfW-Unternehmerkredit
KFW-Schnellkredite für Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern
Am 03.04.2020 wurden auf Basis eines angepassten Beihilferahmens („Temporary Framework“) umfassende KfW-Schnellkredite für den Mittelstand vorgesehen.
- Antragsberechtigte: Mittelstand mit >10 Beschäftigten*, mindestens seit 1. Januar 2019 am Markt
- Kreditbetrag: bis zu 25% des Jahresumsatzes 2019, maximal 500.000 Euro für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von bis zu 50 Mitarbeitern, maximal 800.000 Euro für Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl über 50
- Kreditzweck: Förderkredit für Anschaffungen und laufende Kosten
- Antragsvoraussetzungen: Gewinn erwirtschaftet – entweder 2019 oder im Durchschnitt der Jahre 2017-2019
- Zinssatz: wird mit Kreditzusage festgelegt
- Laufzeit: 10 Jahre
- Tilgung: bis zu 2 Jahre tilgungsfrei möglich (vorzeitige Rückzahlung ohne Vorfälligkeitsentschädigung möglich)
- Haftungsfreistellung: 100% durch die KfW abgesichert durch eine Garantie des Bundes
- Kreditbewilligung: ohne weitere Kreditrisikoprüfung durch die Bank oder die KfW, Einholung einer Schufa Auskunft
Gezählt werden Mitarbeiter mit laufendem Arbeitsvertrag zum 31.12.2019 wie folgt:
- Mitarbeiter bis 20 Stunden = Faktor 0,5
- Mitarbeiter bis 30 Stunden = Faktor 0,75
- Mitarbeiter über 30 Stunden & Auszubildende = Faktor 1
- Mitarbeiter auf 450 Euro-Basis = Faktor 0,3
Bitte beachten:Im Einzelfall und je nach Bundesland können die Kreditprogramme der Landesbanken eine interessante Alternative sein.
Mit welchen Unterlagen sollten Sie sich auf eine Kreditbeantragung vorbereiten?
- Kurze Beschreibung der Auswirkungen der Pandemie auf das Unternehmen
- Jahresabschlüsse / Einnahmen-Überschuss-Rechnungen 2017 und 2018
- Betriebswirtschaftliche Auswertung 2019 (inklusive Summen- und Saldenliste)
- Ermittlung des Kreditbedarfs auf Basis Maßnahmen- und Liquiditätsplanung für die nächsten 12 Monate
- Selbstauskunft
- Vorschlag für den Eigenbeitrag des Gesellschafters/Inhabers
Britta Meyer, Unternehmerberatung
Seit 1997 ist Britta Meyer im Einzelhandel tätig und seit 2010 als selbstständige Beraterin unterwegs. Im Fokus ihrer Arbeit stehen die zahlenbasierte Unternehmenssteuerung und die Analyse und Optimierung von Unternehmensprozessen. Britta Meyer moderiert zahlreiche ERFA-Gruppen in verschiedenen Handelsverbundgruppen, hält Vorträge auf Messen und sonstigen Branchenveranstaltungen und veröffentlicht regelmäßig Artikel in Branchenmedien.
Leitfaden Personal: Personaleinsatz im und nach dem Corona-Shutdown
Leitfaden Vertrieb: Corona führt zu neuen Vertriebsideen des stationären Handels
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